Merkel in
Griechenland
Als Angela Merkel letzte Woche Griechenland besuchte, nahm man im deutschen
Fernsehen mit Freude zur Kenntnis, dass die Kanzlerin viel positiver empfangen
wurde als zuvor; keine Massendemonstrationen, keine Vergleiche mit
Hitler. Der Grund dafür scheint offensichtlich Griechenlands erfolgreiche Rückkehr
an den Kapitalmarkt zu sein.
Sicherlich kann es nicht schaden, dass es nun endlich einen erkennbaren Fortschritt
gibt. Übersehen sollte man jedoch nicht, dass viele Menschen, nach den Jahren
andauernder Proteste, auch einfach nicht mehr die Möglichkeit haben ihre Wut
bezüglich der Austeritätspolitik zu äußern. Am Mittwoch, zwei Tage vor Frau
Merkels Besuch, war Generalstreik. Für die Lehrergewerkschaft war es der vierte
Tage im Monat, an dem zum Streik aufgerufen wurde. Grundschullehrer büßen pro
Streiktag 70 Euro von ihrem Monatsgehalt ein; dieses liegt seit den Sparmaßnahmen
bei 800 Euro. Grundschuldirektoren haben ein Monatsgehalt von 1400 Euro; ein
Streik kostet sie 100 Euro pro Tag. Dabei darf man nicht vergessen, dass
Gewerkschaften in Griechenland anders strukturiert sind als in Deutschland, und
Streikende nicht finanziell unterstützen.
Als Angela Merkel letzte Woche Griechenland besuchte, war das Monatsgehalt
April vieler Grundschullehrer bereits von 800 auf 520 Euro gesunken. Proteste anlässlich
ihres Besuches hätten es auf 450 Euro reduziert. Da stellt sich dann die Frage,
wurde Frau Merkel so freundlich empfangen weil es aufwärts geht, oder weil die
Menschen eine Wahl treffen mussten: entweder Merkel beschimpfen oder essen.