Die Krawatten der Präsidentschaft
Krawatte der Zyprischen Ratspräsidentschaft 2012 |
Im Oktober wurden, im Rahmen der
Vorbereitungen auf die griechische EU Ratspräsidentschaft im Januar, die Mittel
für den Kauf von Krawatten bereitgestellt. Es wurde beschlossen, dass diese bis
zu 147.600 Euro kosten dürfen.
„147.600 Euro für Krawatten? Und das,
während das Land unter einem Schuldenberg versinkt? Das ist doch verrückt!“
Stimmt, so könnte man nun reagieren und hätte sogar nicht Unrecht. So wie die
Gehälter in Griechenland seit der Krise sinken, könnten z.B. von demselben Geld 10 Lehrer ein Jahr lang bezahlt werden. Das wäre wohl sinnvoller gewesen.
So einfach ist das dann aber doch
nicht, denn Griechenland befindet sich hier in einer Situation in der es, egal
wie es sich verhält, nur verlieren kann. Wie es auch in der Ausschreibung
steht, handelt es sich bei den Krawatten um die „traditionellen“ Gastgeschenke
der Ratspräsidentschaft. Delegierte und Reporter, die an Tagungen teilnehmen
bekommen eine Tasche, in der sich z.B. ein Kugelschreiber, ein Schreibblock und
neuerdings ein USB-Flashdrive befinden. Bei den geladenen Gästen beinhaltet die
Tasche bei den Damen auch ein Tuch und bei den Herren eben die Krawatte.
Natürlich hätte man diese auch streichen können. Nur steht Griechenland jetzt
schon unter Kritik bezüglich der Präsidentschaft: „Kann Griechenland überhaupt
die Präsidentschaft durchführen, oder werden dies weitere sechs verlorene
Monate?“ Diese und ähnliche Fragen hört man aus Brüssel und sie schaffen nicht
gerade ein Klima für einen Traditionsbruch.
8gr Basilikum, so soll Verschwendung aussehen |
Dabei geht es bei solcher Kritik nur
wenig, wenn überhaupt, um das Land und seine Möglichkeiten. Vielmehr versucht
man frühzeitig Gründe zu nennen warum es nicht am eigenen Mangel an Kompromissbereitschaft
liegt, weshalb es in den jeweiligen Verhandlungen keinen Fortschritt gibt. Und
auch für Stammtischpolitik lässt sich eine Ratspräsidentschaft gut ausnutzen.
Das konnte man letztes Jahr während der Zyprischen Ratspräsidentschaft gut
sehen. Damals fragte man, ob so ein kleines Land überhaupt die Präsidentschaft
durchführen sollte. Als sich dann herausstellte, dass Zypern diese problemlos
durchführte, änderte sich die Kritik. Zypern sei verschwenderisch, denn es gebe
bei Tagungen einen Obstteller, Mineralwasser und Saft. In Dänemark habe es
vergleichsweise nur ein Glas Leitungswasser gegeben. Gut, gleichzeitig soll bei einem Treffen der
EU-Außenminister in Limassol, Herr Westerwelle, sehr verärgert gewesen sein, da
es in der ganzen Stadt nicht möglich war seinen Lieblingstee aufzutreiben; wie
sich Zypern vorgestellt haben konnte, so unvorbereitet eine erfolgreiche
Ratspräsidentschaft durchzuführen… Und es war ja nicht nur der Tee. Zusammen
mit dem Kugelschreiber und dem Schreibblock, hatte man in Zypern auch ein
kleines Tütchen Basilikum in die Tasche für die Delegierten getan. Acht Gramm
um genau zu sein. Doch man hatte sich verrechnet und nicht genug Tütchen im
Vorrat; ein passender Vorwand für einen Korrespondenten in Brüssel, um einen
zynischen Artikel über die Gastgeschenke der Zyprischen Präsidentschaft zu schreiben.
Kritisieren sollte ich dies jedoch
nicht. Denn auch ich will die Krawatte ja eigentlich nur als Vorwand nutzen. Und
es geht mir auch gar nicht um die Ratspräsidentschaft oder die Schuldenkrise. Vielmehr
geht es um die Werte der Europäischen Union. Kulturell gehört im Mittelmeerraum
die Gastfreundschaft immer noch zu einem der wichtigsten Werte. Wer schon
einmal in den Ferien in Griechenland war kennt das, da wird in der Taverne nach
dem Essen der Nachtisch gebracht und auch in Deutschland, im griechischen
Restaurant, gibt es zur Begrüßung meistens ein Glas Ouzo. In diesem
Zusammenhang sollte man auch die Krawatte sehen. Ist Gastfreundschaft nun
wirklich der Wert, den Griechenland wegen der Krise opfern soll?
Die Bundeskanzlerin würde diese
Frage wahrscheinlich mit ja beantworten; oder zumindest ihr Beauftragter für
Griechenland, Hans-Joachim Fuchtel. Dieser ist bekannt dafür, dass er bei
offiziellen Angelegenheiten, wenn das Protokoll den Austausch von Geschenken
vorsieht, seinem Gegenüber eine Plastikzahnbürste, auf der die Worte „Fuchtel in aller Munde“ stehen, in die
Hand drückt. Anderen anwesenden Deutschen ist dies meist extrem peinlich. Sie
verstehen wie beleidigend dies ist und für sie ist es ein Wert, Gesprächspartner
nicht grundlos zu beleidigen.
Im Januar übernimmt Griechenland die
rotierende EU Ratspräsidentschaft. Man kann davon ausgehen, dass es starke
Kritik geben wird. Manche davon mag berechtigt sein, das kann man noch nicht
voraussehen. Ausgehen kann man aber schon von der anderen Kritik, der
unberechtigten. Wenn es dann wieder um die Gastgeschenke geht oder, wie zuvor
bei Zypern, um das zu gute Wetter. Vielleicht sollte man sich im Januar, wenn diese
Artikel dann in den Zeitungen erscheinen, diese eine Frage stellen: Während
wir von der Tragödie in Lampedusa schockiert, von den Reaktionen gegen Heime für Asylbewerber,
wie z.B. in Hellersdorf, enttäuscht und wegen des Aufstiegs der Rechtsextremen
in ganz Europa beunruhigt sind, wollen wir wirklich ein Land kritisieren, weil
es trotz aller Probleme versucht die Tradition und den Wert der Gastfreundschaft
zu erhalten?