Dienstag, 26. November 2013

Die Krawatten der Präsidentschaft



Die Krawatten der Präsidentschaft



Krawatte der Zyprischen Ratspräsidentschaft 2012
Im Oktober wurden, im Rahmen der Vorbereitungen auf die griechische EU Ratspräsidentschaft im Januar, die Mittel für den Kauf von Krawatten bereitgestellt. Es wurde beschlossen, dass diese bis zu 147.600 Euro kosten dürfen.
„147.600 Euro für Krawatten? Und das, während das Land unter einem Schuldenberg versinkt? Das ist doch verrückt!“ Stimmt, so könnte man nun reagieren und hätte sogar nicht Unrecht. So wie die Gehälter in Griechenland seit der Krise sinken, könnten z.B. von demselben Geld 10 Lehrer ein Jahr lang bezahlt werden. Das wäre wohl sinnvoller gewesen. 

So einfach ist das dann aber doch nicht, denn Griechenland befindet sich hier in einer Situation in der es, egal wie es sich verhält, nur verlieren kann. Wie es auch in der Ausschreibung steht, handelt es sich bei den Krawatten um die „traditionellen“ Gastgeschenke der Ratspräsidentschaft. Delegierte und Reporter, die an Tagungen teilnehmen bekommen eine Tasche, in der sich z.B. ein Kugelschreiber, ein Schreibblock und neuerdings ein USB-Flashdrive befinden. Bei den geladenen Gästen beinhaltet die Tasche bei den Damen auch ein Tuch und bei den Herren eben die Krawatte. Natürlich hätte man diese auch streichen können. Nur steht Griechenland jetzt schon unter Kritik bezüglich der Präsidentschaft: „Kann Griechenland überhaupt die Präsidentschaft durchführen, oder werden dies weitere sechs verlorene Monate?“ Diese und ähnliche Fragen hört man aus Brüssel und sie schaffen nicht gerade ein Klima für einen Traditionsbruch.

8gr Basilikum, so soll Verschwendung aussehen
Dabei geht es bei solcher Kritik nur wenig, wenn überhaupt, um das Land und seine Möglichkeiten. Vielmehr versucht man frühzeitig Gründe zu nennen warum es nicht am eigenen Mangel an Kompromissbereitschaft liegt, weshalb es in den jeweiligen Verhandlungen keinen Fortschritt gibt. Und auch für Stammtischpolitik lässt sich eine Ratspräsidentschaft gut ausnutzen. Das konnte man letztes Jahr während der Zyprischen Ratspräsidentschaft gut sehen. Damals fragte man, ob so ein kleines Land überhaupt die Präsidentschaft durchführen sollte. Als sich dann herausstellte, dass Zypern diese problemlos durchführte, änderte sich die Kritik. Zypern sei verschwenderisch, denn es gebe bei Tagungen einen Obstteller, Mineralwasser und Saft. In Dänemark habe es vergleichsweise nur ein Glas Leitungswasser gegeben.  Gut, gleichzeitig soll bei einem Treffen der EU-Außenminister in Limassol, Herr Westerwelle, sehr verärgert gewesen sein, da es in der ganzen Stadt nicht möglich war seinen Lieblingstee aufzutreiben; wie sich Zypern vorgestellt haben konnte, so unvorbereitet eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft durchzuführen… Und es war ja nicht nur der Tee. Zusammen mit dem Kugelschreiber und dem Schreibblock, hatte man in Zypern auch ein kleines Tütchen Basilikum in die Tasche für die Delegierten getan. Acht Gramm um genau zu sein. Doch man hatte sich verrechnet und nicht genug Tütchen im Vorrat; ein passender Vorwand für einen Korrespondenten in Brüssel, um einen zynischen Artikel über die Gastgeschenke der Zyprischen Präsidentschaft zu schreiben.

Kritisieren sollte ich dies jedoch nicht. Denn auch ich will die Krawatte ja eigentlich nur als Vorwand nutzen. Und es geht mir auch gar nicht um die Ratspräsidentschaft oder die Schuldenkrise. Vielmehr geht es um die Werte der Europäischen Union. Kulturell gehört im Mittelmeerraum die Gastfreundschaft immer noch zu einem der wichtigsten Werte. Wer schon einmal in den Ferien in Griechenland war kennt das, da wird in der Taverne nach dem Essen der Nachtisch gebracht und auch in Deutschland, im griechischen Restaurant, gibt es zur Begrüßung meistens ein Glas Ouzo. In diesem Zusammenhang sollte man auch die Krawatte sehen. Ist Gastfreundschaft nun wirklich der Wert, den Griechenland wegen der Krise opfern soll?

Die Bundeskanzlerin würde diese Frage wahrscheinlich mit ja beantworten; oder zumindest ihr Beauftragter für Griechenland, Hans-Joachim Fuchtel. Dieser ist bekannt dafür, dass er bei offiziellen Angelegenheiten, wenn das Protokoll den Austausch von Geschenken vorsieht, seinem Gegenüber eine Plastikzahnbürste, auf der die Worte „Fuchtel in aller Munde“ stehen, in die Hand drückt. Anderen anwesenden Deutschen ist dies meist extrem peinlich. Sie verstehen wie beleidigend dies ist und für sie ist es ein Wert, Gesprächspartner nicht grundlos zu beleidigen.

Im Januar übernimmt Griechenland die rotierende EU Ratspräsidentschaft. Man kann davon ausgehen, dass es starke Kritik geben wird. Manche davon mag berechtigt sein, das kann man noch nicht voraussehen. Ausgehen kann man aber schon von der anderen Kritik, der unberechtigten. Wenn es dann wieder um die Gastgeschenke geht oder, wie zuvor bei Zypern, um das zu gute Wetter. Vielleicht sollte man sich im Januar, wenn diese Artikel dann in den Zeitungen erscheinen, diese eine Frage stellen: Während wir von der Tragödie in Lampedusa schockiert, von den Reaktionen gegen Heime für Asylbewerber, wie z.B. in Hellersdorf, enttäuscht und wegen des Aufstiegs der Rechtsextremen in ganz Europa beunruhigt sind, wollen wir wirklich ein Land kritisieren, weil es trotz aller Probleme versucht die Tradition und den Wert der Gastfreundschaft zu erhalten?

Dienstag, 19. November 2013

Bekennerschreiben





Bekennerschreiben


Am 17. September 2013 wurde der Musiker und Antifaschist Pavlos Fyssas von einem Mitglied der nazistischen Partei Goldene Morgenröte auf offener Straße erstochen. Der Täter wurde sofort nach der Tat verhaftet. Sein Opfer konnte ihn noch identifizieren, obwohl dies, laut Augenzeugen, nicht notwendig gewesen wäre, da der Mord allen Anscheins vor den Augen der Polizei geschah.
Der Mord zwang Justiz und Staat gegen die Goldene Morgenröte vorzugehen. Diese bestritt jegliche Verbindung zum Täter, auch wenn dieser nachweisbar Mitglied der Partei war, ein Gehalt von ihr bezog und auf Fotos mit dem engen Kader zu sehen war. Gleichzeitig erklärten Mitglieder der Organisation, dass man befürchte, die rechtlichen Schritte die gegen sie unternommen wurden und die öffentliche Empörung könnten dazu führen, dass sie zu Zielen linker Gewalt würden. Diese blieb jedoch aus.

Am 1. November wurden dann zwei junge Männer, Mitglieder der Goldenen Morgenröte, vor den Büros der Parteiorganisation in Neo Irakleio (einem Stadtteil Athens) erschossen. Die Goldene Morgenröte erklärte, man habe die Polizei wenige Tage vorher informiert, dass es Gründe gebe, einen Anschlag auf gerade diese Büros zu befürchten. Auch wurde der Verlauf des eindeutig durch linksextreme Terroristen durchgeführten Attentats, detailliert beschrieben. Die Goldene Morgenröte hatte ja, zur Sicherung ihrer Büros, Überwachungskameras installiert. Auf dem Video sei der Mord ganz klar zu sehen: die Täter hätten versucht die höchstmögliche Zahl an Opfern zu erreichen und ihre Waffen in die zwei Opfer gelehrt. Denen dann, während sie schon am Boden lagen, noch den Gnadenschuss gegeben.
Das Video wurde der Polizei überreicht, und Polizei und Medien stimmten mit der Goldenen Morgenröte überein: das Attentat sei der linksextremen Szene zuzuschreiben. Dann begann die Polizei ihre Ermittlungen. Einige Tage später veröffentlichte sie auch das Überwachungsvideo. Es wurde von allen Sendern in einer Endlosschleife gezeigt. So verwerflich es ist, wahre Mordtaten im Fernsehen zu zeigen, man kam an dem Tag kaum darum herum dieses Video zu sehen. Doch was auf dem Video zu sehen war stimmte nicht mit dem was die Goldene Morgenröte beschrieben hatte überein:
Vier junge Männer stehen an einer Straßenecke. Etwas geschieht. Zwei beginnen wegzurennen. Vom unteren Bildrand erscheint ein Mann mit Pistole. Er schießt in die Richtung der Flüchtenden, wendet sich dann dem ersten Opfer zu, feuert mehrere Male. Das erste Opfer geht zu Boden. Der Täter steht über ihm und schießt weiter auf den am Boden liegenden. Das zweite Opfer, anscheinend unter Schock, steht reglos dabei. Der Täter schaut auf, feuert zwei Mal auf das zweite Opfer, dann wieder auf den schon am Boden liegenden und flieht.  
Laut Spurensicherung wurde zwölfmal auf die beiden Opfer geschossen; einmal auf die beiden Männer die fliehen konnten. Anhand des Videos würde das bedeuten, dass auf Opfer eins zehnmal geschossen wurde, auf Opfer zwei nur zweimal. Nach Veröffentlichung des Videos gibt die Polizei bekannt, sie würde einen politisch motivierten Terroranschlag nun doch ausschließen. Alles deute darauf hin, dass die Opfer nicht wegen ihrer Mitgliedschaft in der Organisation erschossen wurden. Auch ein Bekennerschreiben fehlte.

Und so wendeten sich die Medien wieder einem anderen Thema zu. Bis in der Nacht vom 15. auf den 16. November ein vermeintlicher Bombenanschlag auf die Büros einer rechten Internetseite stattgefunden haben soll. Doch die Polizei dementierte dies bald; die Spurensicherung fand nicht die kleinste Spur einer Explosion. Für großes Aufsehen sorgte der Vorfall deswegen nicht. Die Nachricht, die die Öffentlichkeit erhielt,  ließ sich auf „Es gab gestern Nacht keine Explosion“ reduzieren.

Doch dann wurde doch noch für Aufsehen gesorgt. Am selben Tag, um 16:50, nur einige Stunden nachdem die Medien mit dem vermeintlichen Bombenanschlag abgeschlossen hatten, erklärte die Internetseite „Zougla“ (übersetzt: Dschungel) man hätte sie informiert, wo das Bekennungsschreiben zum Attentat des 1. Novembers zu finden sei. Zougla ist die rechtspopulistische Internetseite des Journalisten Makis Triantafyllopoulos, der sich gerne als Enthüllungsjournalist darstellt.
Die Polizei stellte den USB-Stick mit dem Bekennerschreiben sicher und erklärte kurze Zeit später den achtzehn Seiten langen Text für authentisch. Eine bisher unbekannte linksextreme Terrorgruppe, die „Militanten Revolutionären Volkskräfte“ (die Bild übersetzte sie als Kämpfende revolutionäre Volkskräfte), habe die Verantwortung für das Attentat übernommen.

Am Montag ging man dann ins Detail. Laut Polizeibericht sei das Schreiben authentisch. Es würde sich vom Stil stark von den Bekennerschreiben anderer linker Terrorgruppen unterscheiden. Der Text würde ein breites linkes Wissen beinhalten und man könne daraus schließen, dass der Autor älter sei und dem linken politischen Spektrum angehören würde. Des Weiteren könne man ausschließen, dass der Autor in unmittelbarer Verbindung zum Attentat stand; aus dem Schreiben ginge hervor, dass er sich der Details des Doppelmordes nicht bewusst gewesen sei.

In linken Kreisen bezweifelt man dies jedoch, denn der Text passt nicht so richtig zur Linken. So werden zum Beispiel Hintergründe und Personen ausführlich erklärt, die ein linker Autor für selbstverständlich gehalten hätte. Auch die Tatsache, dass sich die Organisation am 16. November der Tat bekennt, scheint seltsam, wo doch der 17. der für die griechische Linke und die antifaschistische Bewegung in Griechenland wichtigste Feiertag ist. So war die bekannteste linksextreme Terrororganisation, die „Revolutionäre Organisation 17. November“ (kurz: 17. November) nach diesem Tag benannt. Wenn diese neue Organisation schon zwei Wochen mit ihrem Bekennungsschreiben wartet, hätte es dann nicht Sinn ergeben noch den einen Tag zu warten und so ihr Erscheinen durch den historischen Kontext des Feiertages zu stärken? 
Ausschließen kann man aber nicht, dass auch wenn der Autor kein Linker ist, er sich für einen hält.

Samstag, 16. November 2013

„Terror“ gegen rechts




„Terror“ gegen rechts


Kolonaki ist das teuerste Wohnviertel im Zentrum Athens. Der deutsche Wikipedia-Eintrag spricht von einem Treffpunkt der „Schickeria“. Die Polizei untersuchte nun dort einen möglichen Terroranschlag, der in der Nacht von Freitag auf Samstag ausgeübt worden sein soll. Zeugen berichten, sie hätten einen lauten Knall gehört. Mitglieder der rechtsextremen Szene reden von einem Bombenanschlag auf die Büros der Internetseite „Defencenet“. Die Goldene Morgenröte sprach in einer Stellungnahme von einem „durch Staat und parastaatliche Organisationen durchgeführten Anschlag, da die Seite nicht deren Propaganda verbreitet“.

Bei Defencenet selber scheint man noch unter Schock zu stehen. Anders kann man sich den wirren Artikel, den die Seite zum Vorfall veröffentlichte, nicht erklären. Den Betreibern der Internetseite ist ganz klar, dass die Polizei selbst am Anschlag beteiligt gewesen war. Wie auch sonst wusste sie von der Tat, wenn Defencenet sie doch nicht gerufen hatte? Dass sich auch andere Menschen freitags nachts in einem Wohnviertel mit zahlreichen Restaurants, Bars und Kneipen, im Zentrum Athens befinden konnten und die Polizei gerufen haben könnten, hält die Seite für unwahrscheinlich. Man fordere die Polizei auf, die Identität des Anrufers bekanntzugeben und so zu beweisen, dass dieser tatsächlich existiere. Auch seien die zum Schutz der in unmittelbarer Nähe liegenden Regierungsgebäude und Botschaften zuständigen Sicherheitskräfte viel zu schnell eingetroffen.
Des Weiteren, so Defencenet, wäre in Anwesenheit der Polizei ein zweiter Sprengsatz gezündet worden, nachdem diese die Gegend abgeriegelt hatte. Deswegen kommt man bei Defencenet zum Schluss, dass es sich bei den Tätern nur um jugendliche Anarchisten handeln kann.

Der Polizeibericht erklärte, dass es nicht die geringsten Anzeichen einer Explosion gibt. Man geht davon aus, dass es sich um einen Knallkörper gehandelt haben muss. Wer diesen gezündet hat? … Wer weiß?