Am Dienstag, den 17. September 2013, wurde Pavlos Fyssas (34) von Neonazis auf offener Straße ermordet.
Pavlos Fyssas 2011, Foto: John D Carness/AP
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Die Nachricht des Attentats sorgt für Aufruhr: ein junger
Musiker, bekannt für sein antifaschistisches Engagement, wird von einer Truppe
Neonazis gezielt verfolgt und ermordet.
Was genau war passiert? Das Opfer, Pavlos Fyssas, war mit
seiner Freundin und einem befreundeten Paar in einem Café, um dort ein
Fußballspiel zu sehen. An einem der Nachbartische saß eine Gruppe Männer, die
der rechtsextremen Szene angehören. Ersten Berichten nach gab es schon
innerhalb des Kaffees Streit zwischen den zwei Gruppen; Augenzeugen bestreiten
dies jedoch. Sicher ist, dass die Rechtsextremen sich auffällig intensiv mit
ihren Handys beschäftigten. Wie sich herausstellte, trommelten sie den
Schlägertrupp der Goldenen Morgenröte zusammen. Als Pavlos Fyssas kurz vor
Mitternacht das Café verließ, wartete eine große Gruppe Männer in Tarnhosen und
schwarzen T-Shirts auf ihn. Sie beschimpften und bedrängten ihn. Als sie
Verstärkung von einer zweiten Gruppe Rechtsextremer erhielten, sich ihre Zahl also
verdoppelte, griffen sie an; jagten ihn, bis der Täter, Georgios Roupakias
(45), zu ihnen stieß und mehrmals mit dem Messer auf Fyssas einstach.
Roupakias war mit dem Auto gekommen. Er stieg aus, stach sein Opfer in Brust
und Bauch und ging zurück zu seinem Wagen, als sei nichts geschehen. Hier wurde
er von einer jungen Polizistin verhaftet.
Pavlos Fyssas hatte noch die Kraft seinen Mörder zu
identifizieren. Er starb auf der Straße, in den Armen seiner Freundin. Der
Krankenwagen kam laut Zeugen erst nach dreißig Minuten. Im Krankenhaus konnte
nur noch sein Tod festgestellt werden.
Polizei guckt zu
Erschreckend sind die Zeugenaussagen, dass der Mord vor
den Augen der Polizei geschehen sei. Uniformierte Beamte seien zur Tatzeit vor
Ort gewesen und hätten nicht eingegriffen. Die Neonazis konnten handeln „als
gäbe es die Polizei gar nicht“.
Der offizielle Polizeibericht bestreitet dies. Die Zentrale
hätte um 23:57:42 einen Notruf erhalten, dass sich fünfzig, mit Knüppeln
bewaffnete Personen an der Ecke Tsaldari
und Ifigenias gesammelt hätten und sich in Richtung des Cafés „Korali“ bewegen
würden. Daraufhin wurden um 23:59:19 zwei Streifen (acht Beamte) der
Motorradeinheit DI.AS mobilisiert. Als die Beamten am Café eintrafen, fanden
sie dort eine Gruppe von dreißig Personen vor. Sie folgten diesen zum Tatort,
wo sie Zeugen einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personen wurden. Die
Beamten schritten ein und stellten fest, dass einer der beiden Männer
Stichwunden aufwies. Das Opfer identifizierte seinen Angreifer und die Beamten
nahmen diesen um 00:08:53 fest. Der tödliche Angriff fand laut Polizeibericht
unmittelbar vor dem Eintreffen der Polizei statt.
Augenzeugen, unter ihnen auch die Freundin des Opfers,
erzählen eine andere Geschichte: Die Polizei war schon vor dem Mörder
eingetroffen, weigerte sich jedoch einzuschreiten. Die Rechtsextremen seien zu
viele. Erst als das Messer gezogen wurde, griff eine vierundzwanzigjährige
Polizistin ein. Sie forderte ihre männlichen Kollegen auf, sie zu unterstützen.
Diese weigerten sich jedoch weiterhin: Es seien zu viele. Von ihren Kollegen im
Stich gelassen warf sie den Täter zu Boden, legte ihm Handschellen an und
stellte die Mordwaffe sicher.
Täter gesteht den Mord
Im Polizeirevier gesteht der Täter den Mord, erklärt,
dass er telefonisch an den Tatort bestellt wurde und auch, dass er Mitglied der
neonazistischen Partei Goldene Morgenröte sei. Die Polizei durchsucht seine
Wohnung; findet das Parteibuch im Müll. Die Frau des Täters hatte von ihm, nach
seiner Verhaftung, die Anweisung erhalten, Beweise für seine Parteizugehörigkeit
zu vernichten.
Die Goldene Morgenröte streitet Verbindungen zum Täter
ab. Offiziell verurteilt sie die Tat. Auch der Täter ändert seine Aussage.
Seine Verbindung zur Partei sei lose.
Kurz vor der Tat telefonierte Roupakias noch mit
hochgestellten Mitgliedern der Partei. Er ist Mitglied mit Parteibuch (jenes,
welches seine Frau vernichten sollte). Sowohl seine Frau als auch er beziehen
ein Gehalt von der Goldenen Morgenröte; sie betreiben die Kantine des
Ortsverbandes. Fotos zeigen ihn in Trainings- und Zeltlagern der Partei. Auch
bei einer Aktion, Essen an Bedürftige auszuteilen, mit dem Motto „Nur für
Griechen“, ist er fleißig dabei.
Die Verbindungen sind lose. Der Sekretär des
Ortsverbandes ist nur sein Schwippschwager.
Ein ehemaliges Mitglied packt aus
Die Polizei hat Ermittlungen eingeleitet um
herauszufinden wie es sein konnte, dass Roupakias, obwohl in Haft, seiner Frau
Anweisungen geben konnte, Beweismaterial zu vernichten. Die Öffentlichkeit
wundert es nicht. Die Verbindungen zwischen Polizei und Goldener Morgenröte
sind ein offenes Geheimnis.
In einem ausführlichen Interview der Zeitung „to Ethnos“
beschreibt ein ehemaliges Mitglied, wie genau die Schlägertrupps der Neonazis
organisiert sind. Mitglieder der Partei gibt es auch unter den Polizisten und
sie decken die Gewalttaten. Bezeichnend ist auch, dass laut Interview, der
Laden genau neben der Polizeiwache in Egaleo (eine Stadtgemeinde im Westen
Athens), der unter anderem kugelsichere Westen und Schlagstöcke verkauft,
Mitgliedern der Goldenen Morgenröte Rabatt gewährt.
Auch Georgios Roupakias ist dem ehemaligen Mitglied
bekannt. Er gehört zum engen Kader des Ortsverbandes und des Schlägertrupps,
der in ganz Griechenland aktiv ist. Um dort hineinzukommen, muss man
Gewaltbereitschaft und blindes Gehorsam bewiesen haben. Angeführt wird der
Trupp von Roupakias Schwippschwager, Georgios Patelis. Dieser wiederum erteilt
nur Befehle, die durch den Abgeordneten Giannis Lagos den Segen der
Parteispitze erhalten haben. Dass Roupakias ohne den direkten Befehl von
Patelis und Lagos handeln könnte, schließt das ehemalige Mitglied aus.
Angesichts der Tatsachen ist es kein Wunder, wenn es an
Vertrauen in Justiz und Polizei mangelt. Bei den großen Demonstrationen in
Gedenken an Pavlos Fyssas kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die
tausenden Demonstranten sind eben nicht „zu viele“. Sie haben auch nicht vor,
jemanden umzubringen. Noch nicht. Den zumindest im Internet sind die Schreie
nach Rache allgegenwärtig.
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