Dienstag, 24. September 2013

von Neonazis auf offener Straße ermordet



Am Dienstag, den 17. September 2013, wurde Pavlos Fyssas (34) von Neonazis auf offener Straße ermordet.

 

Pavlos Fyssas 2011, Foto: John D Carness/AP
  Die Nachricht des Attentats sorgt für Aufruhr: ein junger Musiker, bekannt für sein antifaschistisches Engagement, wird von einer Truppe Neonazis gezielt verfolgt und ermordet.
Was genau war passiert? Das Opfer, Pavlos Fyssas, war mit seiner Freundin und einem befreundeten Paar in einem Café, um dort ein Fußballspiel zu sehen. An einem der Nachbartische saß eine Gruppe Männer, die der rechtsextremen Szene angehören. Ersten Berichten nach gab es schon innerhalb des Kaffees Streit zwischen den zwei Gruppen; Augenzeugen bestreiten dies jedoch. Sicher ist, dass die Rechtsextremen sich auffällig intensiv mit ihren Handys beschäftigten. Wie sich herausstellte, trommelten sie den Schlägertrupp der Goldenen Morgenröte zusammen. Als Pavlos Fyssas kurz vor Mitternacht das Café verließ, wartete eine große Gruppe Männer in Tarnhosen und schwarzen T-Shirts auf ihn. Sie beschimpften und bedrängten ihn. Als sie Verstärkung von einer zweiten Gruppe Rechtsextremer erhielten, sich ihre Zahl also verdoppelte, griffen sie an; jagten ihn, bis der Täter, Georgios Roupakias (45), zu ihnen stieß und mehrmals mit dem Messer auf Fyssas einstach. Roupakias war mit dem Auto gekommen. Er stieg aus, stach sein Opfer in Brust und Bauch und ging zurück zu seinem Wagen, als sei nichts geschehen. Hier wurde er von einer jungen Polizistin verhaftet.
Pavlos Fyssas hatte noch die Kraft seinen Mörder zu identifizieren. Er starb auf der Straße, in den Armen seiner Freundin. Der Krankenwagen kam laut Zeugen erst nach dreißig Minuten. Im Krankenhaus konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. 

Polizei guckt zu

Erschreckend sind die Zeugenaussagen, dass der Mord vor den Augen der Polizei geschehen sei. Uniformierte Beamte seien zur Tatzeit vor Ort gewesen und hätten nicht eingegriffen. Die Neonazis konnten handeln „als gäbe es die Polizei gar nicht“.
Der offizielle Polizeibericht bestreitet dies. Die Zentrale hätte um 23:57:42 einen Notruf erhalten, dass sich fünfzig, mit Knüppeln bewaffnete Personen  an der Ecke Tsaldari und Ifigenias gesammelt hätten und sich in Richtung des Cafés „Korali“ bewegen würden. Daraufhin wurden um 23:59:19 zwei Streifen (acht Beamte) der Motorradeinheit DI.AS mobilisiert. Als die Beamten am Café eintrafen, fanden sie dort eine Gruppe von dreißig Personen vor. Sie folgten diesen zum Tatort, wo sie Zeugen einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personen wurden. Die Beamten schritten ein und stellten fest, dass einer der beiden Männer Stichwunden aufwies. Das Opfer identifizierte seinen Angreifer und die Beamten nahmen diesen um 00:08:53 fest. Der tödliche Angriff fand laut Polizeibericht unmittelbar vor dem Eintreffen der Polizei statt.
Augenzeugen, unter ihnen auch die Freundin des Opfers, erzählen eine andere Geschichte: Die Polizei war schon vor dem Mörder eingetroffen, weigerte sich jedoch einzuschreiten. Die Rechtsextremen seien zu viele. Erst als das Messer gezogen wurde, griff eine vierundzwanzigjährige Polizistin ein. Sie forderte ihre männlichen Kollegen auf, sie zu unterstützen. Diese weigerten sich jedoch weiterhin: Es seien zu viele. Von ihren Kollegen im Stich gelassen warf sie den Täter zu Boden, legte ihm Handschellen an und stellte die Mordwaffe sicher.

Täter gesteht den Mord

Im Polizeirevier gesteht der Täter den Mord, erklärt, dass er telefonisch an den Tatort bestellt wurde und auch, dass er Mitglied der neonazistischen Partei Goldene Morgenröte sei. Die Polizei durchsucht seine Wohnung; findet das Parteibuch im Müll. Die Frau des Täters hatte von ihm, nach seiner Verhaftung, die Anweisung erhalten, Beweise für seine Parteizugehörigkeit zu vernichten.
Die Goldene Morgenröte streitet Verbindungen zum Täter ab. Offiziell verurteilt sie die Tat. Auch der Täter ändert seine Aussage. Seine Verbindung zur Partei sei lose.
Kurz vor der Tat telefonierte Roupakias noch mit hochgestellten Mitgliedern der Partei. Er ist Mitglied mit Parteibuch (jenes, welches seine Frau vernichten sollte). Sowohl seine Frau als auch er beziehen ein Gehalt von der Goldenen Morgenröte; sie betreiben die Kantine des Ortsverbandes. Fotos zeigen ihn in Trainings- und Zeltlagern der Partei. Auch bei einer Aktion, Essen an Bedürftige auszuteilen, mit dem Motto „Nur für Griechen“, ist er fleißig dabei.
Die Verbindungen sind lose. Der Sekretär des Ortsverbandes ist nur sein Schwippschwager.

Ein ehemaliges Mitglied packt aus

Die Polizei hat Ermittlungen eingeleitet um herauszufinden wie es sein konnte, dass Roupakias, obwohl in Haft, seiner Frau Anweisungen geben konnte, Beweismaterial zu vernichten. Die Öffentlichkeit wundert es nicht. Die Verbindungen zwischen Polizei und Goldener Morgenröte sind ein offenes Geheimnis.
In einem ausführlichen Interview der Zeitung „to Ethnos“ beschreibt ein ehemaliges Mitglied, wie genau die Schlägertrupps der Neonazis organisiert sind. Mitglieder der Partei gibt es auch unter den Polizisten und sie decken die Gewalttaten. Bezeichnend ist auch, dass laut Interview, der Laden genau neben der Polizeiwache in Egaleo (eine Stadtgemeinde im Westen Athens), der unter anderem kugelsichere Westen und Schlagstöcke verkauft, Mitgliedern der Goldenen Morgenröte Rabatt gewährt.
Auch Georgios Roupakias ist dem ehemaligen Mitglied bekannt. Er gehört zum engen Kader des Ortsverbandes und des Schlägertrupps, der in ganz Griechenland aktiv ist. Um dort hineinzukommen, muss man Gewaltbereitschaft und blindes Gehorsam bewiesen haben. Angeführt wird der Trupp von Roupakias Schwippschwager, Georgios Patelis. Dieser wiederum erteilt nur Befehle, die durch den Abgeordneten Giannis Lagos den Segen der Parteispitze erhalten haben. Dass Roupakias ohne den direkten Befehl von Patelis und Lagos handeln könnte, schließt das ehemalige Mitglied aus. 


Angesichts der Tatsachen ist es kein Wunder, wenn es an Vertrauen in Justiz und Polizei mangelt. Bei den großen Demonstrationen in Gedenken an Pavlos Fyssas kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die tausenden Demonstranten sind eben nicht „zu viele“. Sie haben auch nicht vor, jemanden umzubringen. Noch nicht. Den zumindest im Internet sind die Schreie nach Rache allgegenwärtig.


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