Freitag
Wenn man auf eine Woche zurückblickt, besteht immer
die Gefahr, diese einzig an den Geschehnissen der letzten Tage zu bewerten. So ist es leicht, ein falsches Bild in
Erinnerung zu behalten. Auch erkennt man schnell ein großes Ganzes, ohne sich
die Frage zu stellen, ob es dieses überhaupt gibt. Der 13. Dezember war so ein
Tag.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, um 2:34
Uhr, begangen Unbekannte einen Brandanschlag auf das Ferienhaus des ehemaligen
Ministerpräsidenten Konstantinos Simitis. Eingebrochen wurde nicht; der
Brandsatz befand sich außen, an der Balkontür. Von dort breitete sich das Feuer
auch im Haus aus.
Am frühen Nachmittag berichtete die Presse von
einem Bekennerbrief. Nicht im Zusammenhang mit dem Brandanschlag. Auf ihrer
Webseite bekannte sich die Gruppe „Anarchisten - Anarchistinnen“ zu einem
Angriff in der Woche zuvor auf die Büros der mit Schuldeneintreibung befassten
Anwaltskanzlei der Brüder Sioufas (Söhne des ehemaligen Parlamentsvorsitzenden
Dimitris Sioufas).
Letztlich griff um 20:00 Uhr eine Gruppe
Unbekannter die Polizeiwache in Exarchia, der linken Hochburg in Athen, an. Die
20 – 30 Angreifer bewarfen das Gebäude mit Molotov Cocktails, Steinen und
anderen Gegenständen. Ein Streifenwagen und Polizeimotorrad gingen in Flammen
auf. Nach einer andauernden Polizeiaktion gab es drei Verhaftungen; darunter wohl
auch ein 17jähriger afrikanischer politischer Flüchtling und ehemaliger
Kindersoldat. Dieser wurde später wieder aus der Haft entlassen. Weitere
Details zu den Angreifern wurden jedoch nicht veröffentlicht.
Am Sonntag erschien ein kurzes, anonymes Bekennerschreiben
auf dem autonomen Internetportal athens.indymedia. Der Angriff käme als Antwort
auf den brutalen Polizeieinsatz des 6. Dezembers.
Es wäre nun leicht zu sagen, dass es eine Woche der
linksautonomen Gewalt war. In Wahrheit war das Hauptthema der Woche jedoch die
Ermittlungen im Fall der Goldenen Morgenröte.
Ende der vorangegangenen Woche wurden den
Untersuchungsrichtern die polizeiliche Auswertung der beschlagnahmten Rechner
der Organisation übergeben. Als Folge kamen ständig neue Informationen an die
Öffentlichkeit: Fotos von Mitgliedern in Ku-Klux-Klan-Kluften, Videos von Vereidigungen und rassistischen
Hasstiraden, Aufmärsche, Angriffe auf Märkte und Straßenhändler usw. Besonders
bedeutend war die Erkenntnis, dass die Goldene Morgenröte ihre politischen
Gegner überwachte; darunter Abgeordnete der Partei Syriza und Journalisten. Es
wurde auch ein Staatplan gefunden, auf dem Angriffsziele in Exarchia markiert
sind.
Am 10. Dezember wurde ein Journalist auf Kreta,
während einer Reportage, von den Nazis tätlich angegriffen. Die
Polizeigewerkschaft POESY fordert, dass gegen die anwesenden Polizisten wegen
ihres tatenlosen Zusehens ermittelt wird. Die Gewerkschaft weist ausdrücklich
auf einen Zusammenhang zwischen dem Angriff und der Veröffentlichung der
neusten Ermittlungsergebnisse hin.
Aus dieser Perspektive sieht der Wochenrückblick
gleich ganz anders aus. Morgen wird über die Parteifinanzierung der Goldenen
Morgenröte im Parlament abgestimmt.
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