Dienstag, 19. November 2013

Bekennerschreiben





Bekennerschreiben


Am 17. September 2013 wurde der Musiker und Antifaschist Pavlos Fyssas von einem Mitglied der nazistischen Partei Goldene Morgenröte auf offener Straße erstochen. Der Täter wurde sofort nach der Tat verhaftet. Sein Opfer konnte ihn noch identifizieren, obwohl dies, laut Augenzeugen, nicht notwendig gewesen wäre, da der Mord allen Anscheins vor den Augen der Polizei geschah.
Der Mord zwang Justiz und Staat gegen die Goldene Morgenröte vorzugehen. Diese bestritt jegliche Verbindung zum Täter, auch wenn dieser nachweisbar Mitglied der Partei war, ein Gehalt von ihr bezog und auf Fotos mit dem engen Kader zu sehen war. Gleichzeitig erklärten Mitglieder der Organisation, dass man befürchte, die rechtlichen Schritte die gegen sie unternommen wurden und die öffentliche Empörung könnten dazu führen, dass sie zu Zielen linker Gewalt würden. Diese blieb jedoch aus.

Am 1. November wurden dann zwei junge Männer, Mitglieder der Goldenen Morgenröte, vor den Büros der Parteiorganisation in Neo Irakleio (einem Stadtteil Athens) erschossen. Die Goldene Morgenröte erklärte, man habe die Polizei wenige Tage vorher informiert, dass es Gründe gebe, einen Anschlag auf gerade diese Büros zu befürchten. Auch wurde der Verlauf des eindeutig durch linksextreme Terroristen durchgeführten Attentats, detailliert beschrieben. Die Goldene Morgenröte hatte ja, zur Sicherung ihrer Büros, Überwachungskameras installiert. Auf dem Video sei der Mord ganz klar zu sehen: die Täter hätten versucht die höchstmögliche Zahl an Opfern zu erreichen und ihre Waffen in die zwei Opfer gelehrt. Denen dann, während sie schon am Boden lagen, noch den Gnadenschuss gegeben.
Das Video wurde der Polizei überreicht, und Polizei und Medien stimmten mit der Goldenen Morgenröte überein: das Attentat sei der linksextremen Szene zuzuschreiben. Dann begann die Polizei ihre Ermittlungen. Einige Tage später veröffentlichte sie auch das Überwachungsvideo. Es wurde von allen Sendern in einer Endlosschleife gezeigt. So verwerflich es ist, wahre Mordtaten im Fernsehen zu zeigen, man kam an dem Tag kaum darum herum dieses Video zu sehen. Doch was auf dem Video zu sehen war stimmte nicht mit dem was die Goldene Morgenröte beschrieben hatte überein:
Vier junge Männer stehen an einer Straßenecke. Etwas geschieht. Zwei beginnen wegzurennen. Vom unteren Bildrand erscheint ein Mann mit Pistole. Er schießt in die Richtung der Flüchtenden, wendet sich dann dem ersten Opfer zu, feuert mehrere Male. Das erste Opfer geht zu Boden. Der Täter steht über ihm und schießt weiter auf den am Boden liegenden. Das zweite Opfer, anscheinend unter Schock, steht reglos dabei. Der Täter schaut auf, feuert zwei Mal auf das zweite Opfer, dann wieder auf den schon am Boden liegenden und flieht.  
Laut Spurensicherung wurde zwölfmal auf die beiden Opfer geschossen; einmal auf die beiden Männer die fliehen konnten. Anhand des Videos würde das bedeuten, dass auf Opfer eins zehnmal geschossen wurde, auf Opfer zwei nur zweimal. Nach Veröffentlichung des Videos gibt die Polizei bekannt, sie würde einen politisch motivierten Terroranschlag nun doch ausschließen. Alles deute darauf hin, dass die Opfer nicht wegen ihrer Mitgliedschaft in der Organisation erschossen wurden. Auch ein Bekennerschreiben fehlte.

Und so wendeten sich die Medien wieder einem anderen Thema zu. Bis in der Nacht vom 15. auf den 16. November ein vermeintlicher Bombenanschlag auf die Büros einer rechten Internetseite stattgefunden haben soll. Doch die Polizei dementierte dies bald; die Spurensicherung fand nicht die kleinste Spur einer Explosion. Für großes Aufsehen sorgte der Vorfall deswegen nicht. Die Nachricht, die die Öffentlichkeit erhielt,  ließ sich auf „Es gab gestern Nacht keine Explosion“ reduzieren.

Doch dann wurde doch noch für Aufsehen gesorgt. Am selben Tag, um 16:50, nur einige Stunden nachdem die Medien mit dem vermeintlichen Bombenanschlag abgeschlossen hatten, erklärte die Internetseite „Zougla“ (übersetzt: Dschungel) man hätte sie informiert, wo das Bekennungsschreiben zum Attentat des 1. Novembers zu finden sei. Zougla ist die rechtspopulistische Internetseite des Journalisten Makis Triantafyllopoulos, der sich gerne als Enthüllungsjournalist darstellt.
Die Polizei stellte den USB-Stick mit dem Bekennerschreiben sicher und erklärte kurze Zeit später den achtzehn Seiten langen Text für authentisch. Eine bisher unbekannte linksextreme Terrorgruppe, die „Militanten Revolutionären Volkskräfte“ (die Bild übersetzte sie als Kämpfende revolutionäre Volkskräfte), habe die Verantwortung für das Attentat übernommen.

Am Montag ging man dann ins Detail. Laut Polizeibericht sei das Schreiben authentisch. Es würde sich vom Stil stark von den Bekennerschreiben anderer linker Terrorgruppen unterscheiden. Der Text würde ein breites linkes Wissen beinhalten und man könne daraus schließen, dass der Autor älter sei und dem linken politischen Spektrum angehören würde. Des Weiteren könne man ausschließen, dass der Autor in unmittelbarer Verbindung zum Attentat stand; aus dem Schreiben ginge hervor, dass er sich der Details des Doppelmordes nicht bewusst gewesen sei.

In linken Kreisen bezweifelt man dies jedoch, denn der Text passt nicht so richtig zur Linken. So werden zum Beispiel Hintergründe und Personen ausführlich erklärt, die ein linker Autor für selbstverständlich gehalten hätte. Auch die Tatsache, dass sich die Organisation am 16. November der Tat bekennt, scheint seltsam, wo doch der 17. der für die griechische Linke und die antifaschistische Bewegung in Griechenland wichtigste Feiertag ist. So war die bekannteste linksextreme Terrororganisation, die „Revolutionäre Organisation 17. November“ (kurz: 17. November) nach diesem Tag benannt. Wenn diese neue Organisation schon zwei Wochen mit ihrem Bekennungsschreiben wartet, hätte es dann nicht Sinn ergeben noch den einen Tag zu warten und so ihr Erscheinen durch den historischen Kontext des Feiertages zu stärken? 
Ausschließen kann man aber nicht, dass auch wenn der Autor kein Linker ist, er sich für einen hält.

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