Die Ermordung der zwei jungen Mitglieder der Goldenen Morgenröte führte
erneut zu heftigen Disputen in Presse und den Social Media des Landes, diesmal über „das
politisch richtige Verhalten“ gegenüber der Mordtat und den toten Mitgliedern
und Aktivisten der Nazipartei. Während die Mordtat von allen Parteien deutlich
verurteilt und der Tod bedauert wurde, sprachen einige Politiker und
Journalisten von der moralischen Pflicht und der politischen Notwendigkeit, um
die jungen Rechtsextremisten in gleicher
Weise zu trauern, wie man es in dem Fall des im September von der Goldenen
Morgenröte ermordeten jungen Antifaschisten Pavlos Fyssas getan hat – „schließlich
waren alle Opfer politisch motivierter Gewalttaten“, so die Begründung. In
diesem Zusammenhang wurden Begriffe wie „Rot-braune Faschisten“ und „Schwarze
Linke“ verwendet und für Empörung gesorgt. (Nach neustem Stand der
Ermittlungen schließt die Polizei nun aus, dass es sich bei dem Mord an den
zwei Mitgliedern der Goldenen Morgenröte um ein politisch motiviertes
Verbrechen handelt.)
In seiner wöchentlichen Kolumne in der Zeitung
„Angelioforos tis Kyriakis“ nahm am Sonntag Prof. Georgios Tsiakalos zu dieser Auseinandersetzung Stellung. Der Artikel fand große Verbreitung und
Zustimmung in den Social Media.
Georgios Tsiakalos
Trauer und Bedauern
In den Jahren des Bürgerkrieges waren die schmerzlichsten Momente für die
Angehörigen der Soldaten der (kommunistischen) Demokratischen Armee die, wenn die
Jeeps auf die Plätze der Dörfer kamen, anhielten, und die Einwohner
aufgefordert wurden, die “getöteten Banditen“ zu besichtigen. Vor allem jene Menschen,
die Angehörige in der Demokratischen Armee hatten, näherten sich mit der Angst,
was und wen sie finden würden. Und sie entfernten sich mit einem Aufatmen, wenn
auf der Ladefläche nicht ihr Kind, Vater, Bruder oder Schwester waren. Aber
dieses Aufatmen verwandelte sich schon bald in Gewissensbisse. “Wie ist es
möglich, dass du erleichtert bist, wo doch bei den Toten so viele Bekannte
sind, und selbst die Unbekannten zu „deinen Leuten“ gehören?“ war der quälende
Gedanke. Über meine Mutter sagte man, diese Gedanken führten dazu, dass ihre
Gesichtszüge versteinerten und ihr Herz erkrankte.
So verhalten sich die Menschen gegenüber dem Tod. Empfindsam, bedauern sie
den Tod aller, aber um die eigenen Menschen trauern sie. Und wenn man um
entfernte Verwandte oder Bekannte trauert, dann ist diese Trauer entsprechend
ihrer Einschätzung des Lebens und des Werkes der Verstorbenen. Aus diesem
Grunde ist unser Ausdrucks des Beileides an die Hinterbliebenen für alle
gleich, aber der Nachruf ist unterschiedlich, weil er sich auf das Leben der
Verstorbenen bezieht. Ein Nachruf ist eine öffentliche Erklärung darüber, was wir
im Leben wertschätzen, was ein Mensch sein soll und wie wir uns die menschliche
Gesellschaft wünschen.
Alles dieses ist ein Teil unserer Kultur, und wir gehen davon aus, dass
dies selbstverständlich ist auch dann, wenn der Tod mit der Politik zusammentrifft.
Aber in den vergangenen Tagen erlebten wir etwas anderes. Wiederholt wurden wir
im Namen der Menschlichkeit, der Demokratie und des „echten Antifaschismus“
dazu aufgefordert, unsere Logik und unsere Gefühle dem Ausspruch des Apostels
Paulus “wer gestorben ist, der ist
gerechtfertigt von der Sünde“ (Römer 6,8) unterzuordnen, welcher von
vielen Menschen völlig falsch so interpretiert wird, als erlöse der Tod den
Verstorbenen und macht ihn geachtet und unangreifbar für die Lebenden. Wir
wurden beschuldigt, weil wir um Pavlos Fyssas trauerten und auf der anderen
Seite für die ermordeten Mitglieder der Goldenen Morgenröte lediglich „Mitgefühl
ausdrückten“. Ja, es stimmt, genauso haben wir uns verhalten, weil nur das ungeschminkte, ohne jegliche Hintergedanken,
differenzierte Verhalten gegenüber den Toten wahre Achtung gegenüber dem Tod zeigt– indem es die Bedeutung der Art und
Weise hervorhebt, wie wir unser kleines Leben bewusst gestalten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen